Wie wir die Beziehung zu unseren Eltern in der Kindheit erleben, wirkt sich maßgeblich auch auf unsere späteren Partnerschaften aus. Ist das Verhältnis zu Mutter oder Vater von Konflikten, Kälte oder Distanz geprägt, hat dies ebenso Auswirkungen wie ein Zuviel an Nähe. Nicht wenige Menschen merken im Erwachsenenalter, dass solche frühen Dynamiken sie immer noch beeinflussen und womöglich daran hindern, glückliche, funktionierende Liebesbeziehungen einzugehen.
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Definition: Muttersohn, Vatertochter
Muttersohn oder Vatertochter nennt man die Menschen, deren Beziehung zum gegengeschlechtlichen Elternteil dauerhaft zu eng war und damit die geschlechtsspezifische Identifikation durch mangelnde oder ungeeignete Vorbilder unzureichend ist.
Diese Dynamik führt dazu, dass der Mann zu stark das weibliche und die Frau zu stark das männliche Prinzip in sich entwickeln. Die geschlechterspezifischen Rollen vertauschen sich oder lösen sich auf.
Sich trotz dieser engen Bindung zu einem Elternteil ausreichend Raum zu verschaffen, stellt sich für spätere Partner oft als schwierig heraus. Zudem werden mitunter unrealistische Erwartungen an sie gerichtet: Sie müssen unterbewusste Vergleiche zu Mutter oder Vater bestehen. Oder sie dienen als Projektionsfläche unverarbeiteter Konflikte aus Kindheitstagen.
Möglicherweise erhoffen sich Vatertöchter und Muttersöhne von ihnen auch Erlösung: In der Kindheit empfundene Defizite sollen endlich ausgeglichen und „gesättigt“ werden. Dass das andere gleichgeschlechtliche Elternteil weniger nah und präsent ist, führt wiederum zu Schwierigkeiten mit der eigenen geschlechtsspezifischen Identifikation. Statt sich entspannt dem eigenen Naturell entsprechend zu verhalten, übernehmen die Betroffenen ein Rollenverhalten – um eben nicht so zu werden wie Mutter oder Vater.
Vater-Tochter-Beziehung
Die Beziehung zum Vater ist prägend für die Selbstwahrnehmung und die ersten Beziehungsversuche junger Frauen. Einer Tochter, die in der Kindheit ausreichend Liebe, Aufmerksamkeit und Respekt durch den Vater erfährt, gelingt es später bestenfalls ohne Verlustangst, Bindungsangst oder überhöhte Erwartungen auf andere Männer zuzugehen.
Wenn Vater und Tochter sich nicht verstehen
Ist das Verhältnis konfliktbelastet, wirkt sich dies auf die Partnersuche aus. Statt achtsam zu wählen, gehen Betroffene oft zu schnell Beziehungen ein – immer in der Hoffnung, die Liebe und Aufmerksamkeit zu finden, die ihnen von früher her fehlt. Andere konzentrieren sich einseitig auf berufliche Ziele oder neigen dazu, schlicht alle Männer abzuwerten.
Ob eine Psycho- oder Paartherapie in solchen Fällen sinnvoll ist, hängt vom persönlichen Leidensdruck ab. Tatsächlich fühlen sich viele Betroffene unglücklich, obwohl sie im Alltag sogar gut „funktionieren“. Als Therapeut in München helfe ich Ihnen, schädliche Denkmuster zu hinterfragen und zu einem authentischen Leben und Liebesleben zu finden.
Wenn der Vater die Tochter nicht loslassen kann
Andererseits gibt es auch Familien, in denen die Beziehung von Vater und Tochter durch übermäßige Nähe geprägt ist. Das innig geliebte Kind wird hier zur heimlichen Verbündeten und zur wichtigsten Bezugsperson, noch vor der Mutter. Der Vater vertraut zunehmend sein Leid der Tochter statt der Ehefrau an – angezogen von den unschuldigen weiblichen Reizen der Vatertochter. Die Tochter in ein selbstbestimmtes Leben zu entlassen und einen Freund zu akzeptieren, fällt solchen Vätern schwer.
Vatertöchter haben indes oft Probleme, ihre Identifikation als Frau zu finden. Wie ihre Mutter, die sie oft als schwach erlebt haben, wollen sie gewiss nicht sein. Lieber fokussieren sie sich auf Leistung und Arbeit – ein Garant für anerkennende Worte und Blicke vom Vater.
Mutter-Sohn-Beziehung
Eine zu enge Mutter-Sohn-Beziehung ist für das spätere Liebesleben ebenso belastend. Dabei scheint den Betroffenen das Problem oft gar nicht bewusst. Der Muttersohn war in der Vergangenheit meist Hoffnungsträger, Vertrauter oder Ersatzmann der Mutter. In manchen Konstellationen gilt der Muttersohn sogar als männlicher Held.
Mutti ist die Beste – und bleibt das unangefochtene Idealbild bei der Suche nach einer Partnerin. In anderen Familien tritt der Muttersohn als lieber Junge in Erscheinung, der an Vaters Stelle hilft und tröstet.
Wenn die Mutter am Sohn klammert
Auch viele Muttersöhne wissen ganz genau, wie sie nicht sein wollen: So wie der Vater, der vielleicht gar nicht da war. Frauen aber sind von diesen Männern und ihrer einfühlsamen Art fasziniert. Doch hält diese dem Alltag stand? Möglicherweise ist der Muttersohn am Ende ein ganz normaler Mann. Oder im Gegenteil: einfach nicht männlich genug.
Wenn der Sohn die Mutter hasst
Ist das Verhältnis zwischen Kindern und Eltern völlig zerrüttet, fehlt meistens auch das nötige Urvertrauen, um später gesunde, erfüllende Beziehungen einzugehen. Normale geschlechtsspezifische Verhaltensweisen reichen hier mitunter aus, um den Hass gegen die Mutter auch auf die Partnerin zu projizieren.
Diese Männer fühlen sich oft überfordert von Bedürfnissen und Emotionen ihrer Partnerin. In der Folge ziehen sie sich immer mehr zurück und sind emotional nicht mehr erreichbar. Die Frau reagiert darauf häufig mit mehr Druck und das hält den schädlichen Kreislauf zusätzlich in Gang.
Für die Betroffenen ist es ratsam, eine Paar- oder Einzeltherapie in Erwägung zu ziehen, um Schmerz und Aggression nicht immer weiter zu tragen.
Muttersohn und Vatertochter als Liebespaar
Muttersöhne und Vatertöchter ziehen sich oft zunächst magisch an. Der Mann schätzt die Durchsetzungskraft der Frau. Er meint, mit ihr die nötige Unterstützung zu bekommen, um ganz Mann werden zu können. Die Frau ist fasziniert von seinem charmanten Wesen. Sie glaubt, endlich ihre Sehnsucht nach Geborgenheit stillen zu können. – Es ist wie ein heimliches Versprechen, sich gegenseitig zu erlösen, um ganz Frau und Mann werden zu können.
Die Wirklichkeit sieht meistens anders aus. Die Frau verliert zunehmend an Achtung vor ihrem Mann. Ihr Grundgefühl lautet: „Ich gebe so viel und gehe total leer aus“. Der Mann stellt enttäuscht fest, dass die anfangs so stark erscheinende Partnerin doch eigene Bedürfnisse hat. Er erlebt das als Überforderung, weil es ihn an die irritierende, unstillbare Bedürftigkeit der Mutter erinnert.
Das Drama entwickelt sich zunehmend dadurch, dass ein eigentümliches gegenseitiges Verhältnis von Konkurrenz entsteht. Wer gibt mehr, wer bekommt mehr? Die so wichtige Balance zwischen Geben und Nehmen, Autonomie und Bindung sowie Durchsetzung und Anpassung ist aus dem Lot geraten.
An diesem Punkt begeben sich die Paare meist in Paarberatung oder Paartherapie. Ein häufiger Vorwurf ist dann: „Du siehst mich gar nicht“. Dieser Punkt im Beziehungsleben wird als Krise erlebt und ist zugleich eine gute Möglichkeit, sich neu zu begegnen und zu zeigen. Auf diesem Weg stehe ich Ihnen als Paartherapeut in München gerne zur Seite: Sie können online einen Beratungstermin vereinbaren.
Literatur
Väter-Töchter, Mutter-Söhne (Verena Kast) / Starke Mütter – starke Söhne (Meg Meeker) / Söhne ohne Väter (G.M.Vogt, STT Sirridge) / Abschied von den Eltern – Eine Anleitung für Erwachsene, die Beziehung zu den Eltern zu normalisieren (Howard M. Halpern) / Mütter sind auch Menschen – Was Töchter und Mütter voneinander Wissen sollten (Claudia Haarmann) / Mütter machen Männer – Wie Söhne erwachsen werden (Cheryl Benard und Edit Schlaffer)
Erstellungsdatum:
16.09.2011
Autor:
Markus Breitenberger, Paartherapeut und Sexualtherapeut in München und Autor von zahlreichen Büchern, Fachartikeln und Blogbeiträgen zu Themen rund um Gesundheit und Paarbeziehung. Experte für Paarberatung bei diversen Zeitschriften.