In Familienaufstellungen zeigen sich Wahrheiten durch Wirklichkeiten – nämlich durch das, was wir in unserem Leben spürbar wahrnehmen. Ganz wesentlich wirkt in unserem Erleben das Gewissen: Wir alle kennen die aufrichtige und weite Wirkung eines guten Gewissens ebenso wie das zusammenziehende und enge Gefühl eines schlechten Gewissens. Doch was ist dieses Gewissen eigentlich, und wofür ist es gut? In Familienaufstellungen können wir viel über dieses Phänomen erfahren.

Inhaltsverzeichnis
Bin ich in Ordnung?
Krankheit und Lebenskrisen sind Anzeichen dafür, dass ein Mensch nicht mehr in (der) Ordnung ist. Eine Familienaufstellung kann zur Lösung beitragen, weil sie einen neuen Blick auf komplexe Situationen und einen Wechsel in der inneren Haltung ermöglicht. Der Gradmesser dafür, ob sich ein Mensch in der Ordnung befindet und zugehörig ist zu seinen Mitmenschen, der Welt und dem Universum, ist das Gewissen.
Drei Gewissensebenen im Widerstreit
Bert Hellinger hat das Familienstellen erneuert und essentielle Ordnungen beschrieben, mit deren Einhaltung ein gesundes Leben wahrscheinlicher wird. Er unterscheidet drei Ebenen des Gewissens: ein persönliches Gewissen, ein kollektives Gewissen und ein Metagewissen. Diese drei stehen manchmal im Widerspruch zueinander.
Zum Beispiel kann das persönliche mit dem kollektiven Gewissen in Konflikt geraten, wenn ein heranwachsendes Kind spürt, dass die Zeit reif ist das Elternhaus zu verlassen, es sich aber gleichzeitig gebunden fühlt an die Eltern, von denen es viel bekommen hat, oder zwischen denen es ständig vermitteln musste. Daraus können Schuldgefühle in Menschen und Schwierigkeiten in Familien entstehen, die sich in der Familienaufstellung auflösen lassen.
Persönliches Gewissen: sorgt für Balance in Beziehung
Unser persönliches Gewissen ist verbunden mit der Familie oder der Gruppe, zu der wir gehören. Es ist der Gleichgewichtssinn in Beziehungen und steht im Dienst von drei Bedürfnissen: Ordnung, Bindung und dem Ausgleich von Geben und Nehmen. Jeder Mensch fühlt es ganz bewusst.
Wir spüren es als ein Gefühl der Schuld, wenn wir gegen die Regeln unserer Gruppe verstoßen, und als ein Gefühl der Unschuld, wenn wir uns an dieses Wertesystem halten. Nicht nur jede Familie, sondern jedes soziale System – also auch jeder Betrieb und jeder Sportverein – hat eigene Regeln, wie man sich „richtig“ verhält.
Wer dagegen verstößt, riskiert seine Zugehörigkeit zur Gemeinschaft. In der Familie schließen wir auch Menschen aus, an deren Schicksal sich niemand erinnern will: Abgetriebene Kinder, jung Verstorbene, kriminelle Verwandte oder die Großeltern, die Hitler treu gedient haben, kommen im Bild der Familie häufig nicht vor.
Kollektives Gewissen: sorgt für Zugehörigkeit und Ordnung
Alle Menschen, die eine Familie nicht würdigt, können aber auf eine belastende Weise weiter in das System hineinwirken – über das kollektive Gewissen. Dieses Gruppengewissen fühlen wir nicht bewusst. Es verbindet alle, die zu einem System gehören, und schließt die Lebenden ebenso ein wie die Verstorbenen.
Das kollektive Gewissen gründet auf zwei grundlegenden Ordnungen, die in jeder Gruppe gelten: Erstens hat jedes Mitglied das gleiche Recht auf Zugehörigkeit. Niemand darf ausgeschlossen werden, egal wie er sich verhält. Zweitens haben früher Geborene Vorrang vor späteren. Die Eltern kommen also vor den Kindern, die älteren Geschwister vor den jüngeren. Bei Familiensystemen wirkt es umgekehrt, so dass die zweite Partnerschaft und Familie Vorrang vor der ersten hat. Damit hat jeder in der Gruppe seinen Platz.
Wenn diese Ordnungen gestört werden, wirkt das kollektive Gewissen als Instanz, um sie wieder herzustellen. Schließt die Familie zum Beispiel einen Menschen aus, sorgt das kollektive Gewissen häufig dafür, dass er wieder in das System hineinkommt: Mitunter übernimmt dann ein anderes Familienmitglied – vielleicht erst Generationen später – unbewusst das Schicksal dieses Menschen, um einen Ausgleich zu schaffen. In der Familienaufstellung kommen die leidvollen Folgen für die Betroffenen ans Licht: berufliches oder privates Scheitern, schwere Krankheit, Kriminalität oder Selbstmord.
Metagewissen: weist über persönliches und kollektives Gewissen hinaus
Das Metagewissen geht über die beiden anderen Ebenen hinaus: Wer durch persönliche Reifeprozesse im Einklang mit dieser großen Seele lebt, ist nicht mehr von persönlichem oder kollektivem Gewissen getrieben, sondern richtet sein Leben nach einem größeren Ganzen aus.
Familienaufstellungen lösen
Die Familienaufstellung hat zum Ziel, gestörte Ordnungen aufzudecken und damit ein unbeschwerteres Leben zu ermöglichen. Sie wirkt vor allem auf der Ebene des kollektiven Gewissens. Meist geht es darum, dass Menschen einen unbewussten Auftrag erfüllen: Sie versuchen, an etwas oder jemanden zu erinnern oder etwas mitzutragen, was im Gewissen zu einem anderen Familienmitglied gehört. In der Familienaufstellung werden solche Verstrickungen sichtbar und begreiflich. Probleme, Krankheiten und Krisen, die Menschen zur Familienaufstellung führen, erweisen sich dabei als hilfreiche Wegweiser.
Als Leiter von Familienaufstellungen in München unterstütze ich meine Klienten dabei, ihr Familienbild auf respektvolle Weise neu zu ordnen oder zu ergänzen und die Ordnungen des Gewissens wieder zur Geltung zu bringen. Dadurch kann es gelingen, sich aus unheilvollen Bindungen zu lösen und frei zu werden für neue Wege und eigenes Gelingen.
Mehr Informationen zum Thema Familienaufstellung in München
Erstellungsdatum:
30.09.2014
Autor:
Markus Breitenberger ist Heilpraktiker, Systemischer Therapeut und Familienaufsteller in München. Autor von zahlreichen Fachartikeln und Blogbeiträgen zu Themen rund um Gesundheit und Psychotherapie.