L-Thyroxin ist ein synthetisches Schilddrüsenhormon, das bei Menschen mit Schilddrüsenunterfunktion die fehlenden Hormone ersetzt. Nicht immer zeigt sich eine Besserung der Beschwerden durch die Einnahme von L-Thyroxin. Rückmeldungen von Patienten und wissenschaftliche Studien zeigen dies deutlich, was Hausärzte und Endokrinologen häufig nicht wahr haben wollen.
Inhaltsverzeichnis
Was ist L-Thyroxin?
L-Thyroxin (Levothyroxin) ist ein Schilddrüsenhormon, das als rezeptpflichtiges Medikament bei bestimmten Schilddrüsenkrankheiten zum Einsatz kommt. Der häufigste Grund für eine L-Thyroxin-Therapie ist der Ausgleich eines Schilddrüsenhormon-Mangels, der durch eine Unterfunktion der Schilddrüse (Hypothyreose) hervorgerufen wird.
Bei welchen Erkrankungen wird eine L-Thyroxin-Therapie durchgeführt?
Wichtigstes Einsatzgebiet von L-Thyroxin in Tablettenform ist eine Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose). Dabei ersetzt das Medikament die Schilddrüsenhormone, die der Körper selbst nicht oder in nicht ausreichender Menge bildet. Hierfür muss L-Thyroxin in der Regel lebenslang eingenommen werden.
Ein weiteres Anwendungsgebiet ist ein gutartiger Kropf. Wird das Hormondefizit „von außen“ ausgeglichen, drosselt die Schilddrüse ihre Aktivität und verkleinert sich im Idealfall mit der Zeit wieder.
Wirkung
Das synthetisch hergestellte L-Thyroxin ist mit dem körpereigenen Schilddrüsenhormon Thyroxin (T4) identisch und wird – wie T4 – im Organismus in das wirksamere Schilddrüsenhormon Trijodthyronin (Liothyronin, T3) umgewandelt.
Trijodthyronin beeinflusst zahlreiche Stoffwechselvorgänge, allen voran den Energie-, Kohlenhydrat-, Fett- und Eiweißstoffwechsel. Zudem ist es an vielen Körperfunktionen beteiligt. Beispielsweise hat das Schilddrüsenhormon einen direkten Einfluss auf Herz und Kreislauf, indem es u.a. den Blutdruck regelt, den Herzschlag beschleunigt oder die Blutgefäße erweitert. Außerdem sind die Schilddrüsenhormone wesentlich für viele Wachstumsprozesse im Kindesalter verantwortlich.
Sind zu wenig Schilddrüsenhormone vorhanden, weil eine Schilddrüsenunterfunktion – z.B. im Rahmen einer Hashimoto-Thyreoiditis, oder nach operativer Entfernung der Schilddrüse – besteht, sind ein verlangsamter Stoffwechsel und eine geringere Leistungsfähigkeit die Folge.
Die dadurch bedingten Symptome wie Müdigkeit, Gewichtszunahme, Darmträgheit und depressive Verstimmungen können meist durch die regelmäßige Zufuhr von L-Thyroxin verschwinden oder zumindest deutlich gemildert werden – aber das ist leider nicht immer der Fall.
Längst nicht alle Patienten mit einer Schilddrüsenunterfunktion profitieren durch die Einnahme von L-Thyroxin und manchen geht es damit sogar noch schlechter. In den meisten Fällen wird das von Fachärzten übersehen, solange die Laborwerte (TSH, fT3, fT4) im Normbereich liegen. Ein Umstand, der oft zu jahrelangen unnötigen Beschwerden führen kann.
Wie wird L-Thyroxin richtig dosiert?
Es kann sein, dass sich der Betroffene in Geduld üben muss, bevor sich die gewünschten therapeutischen Effekte einstellen. Tatsächlich dauert es nicht selten einige Wochen und sogar Monate, bis die individuell passende Dosis gefunden wurde und eine spürbare Besserung der Beschwerden eintritt.
Dabei spielen nicht nur die Untersuchungsergebnisse – allen voran der meist überbewertete TSH-Wert –, sondern auch Faktoren wie Alter, Körpergewicht und weitere Grunderkrankungen eine Rolle. Zudem muss überprüft werden, welche weiteren Medikamente eingenommen werden, um z.B. auszuschließen, dass die Wirkung von L-Thyroxin durch Wechselwirkungen mit einem anderen Arzneimittel vermindert werden könnte.
In der Regel beginnt die Behandlung mit einer niedrigen Dosis L-Thyroxin, das sind meist 25 Mikrogramm. Reicht das nicht aus, wird die Dosis schrittweise erhöht auf L-Thyroxin 50, 75, 100 oder 125 Mikrogramm. Die Höchstdosis liegt bei 200 Mikrogramm pro Tag.
Als Richtwert für die passende L-Thyroxin-Dosis geht man von 1,5 Mikrogramm/kg Körpergewicht aus.
Bei älteren Menschen wird die Dosierung noch vorsichtiger durchgeführt, vor allem wenn sie unter Herzproblemen und/oder Bluthochdruck leiden. Auch Menschen, die an Epilepsie erkrankt sind, müssen sich langsam unter therapeutischer Aufsicht mit regelmäßigen Kontrolluntersuchungen in die Behandlung einschleichen.
Studien belegen, dass gerade bei älteren Menschen der Therapieerfolg mit L-Thyroxin unter den erhofften Erwartungen bleiben und zu weiteren Beschwerden führen kann.
Anwendungstipps
Die gesamte Tagesdosis wird morgens nüchtern mindestens 30 Minuten vor dem Frühstück – und ebenso vor der ersten Tasse Kaffee – unzerkaut mit reichlich Wasser eingenommen. Denn der Wirkstoff wird auf nüchternem Magen besser aufgenommen als kurz vor bzw. nach einer Mahlzeit.
Müssen weitere Medikamente eingenommen werden, sollte man mit dem Therapeuten genau besprechen, wie die Arzneimitteltherapie am besten umgesetzt wird. Dabei ist es wichtig, stets einen zeitlichen Abstand zu anderen Medikamenten einzuhalten.
Beachten:
- Einige Arzneimittel können die Resorption und Bioverfügbarkeit – und damit die Wirkung – von L-Thyroxin herabsetzen. Dazu gehören z.B. Ionenaustauscherharze bei Fettstoffwechselstörungen, aluminiumhaltige magensäurebindende Arzneimittel, Kalzium- oder Eisentabletten. In diesen Fällen wird empfohlen, L-Thyroxin mindestens zwei, besser sogar vier Stunden früher einzunehmen. Auch Flohsamenschalen oder Lactose sollten mindestens zwei Stunden nach der Anwendung von L-Thyroxin eingenommen werden.
- Umgekehrt kann auch L-Thyroxin die Wirksamkeit von bestimmten Medikamenten beeinflussen. So vermindert es z.B. die Wirkung von blutzuckersenkenden Arzneimitteln und verstärkt die Wirkung von blutgerinnungshemmenden Medikamenten (Quick-Kontrolle notig).
- Eine sojahaltige Ernährung kann die Aufnahme von L-Thyroxin aus dem Darm beeinträchtigen und so den Bedarf des Schilddrüsenhormons erhöhen.
- Das subjektive Wohlbefinden sollte immer Vorrang haben vor der voreiligen Normalisierung des TSH-Wertes.
- Bei Überdosierung erfolgt häufig eine Hyperthyreosis factitia, d.h. künstlich erzeugte Symptome einer Schilddrüsenüberfunktion.
- Bei Antriebsschwäche morgens kann die L-Thyroxin-Einnahme aber auch über den Tag verteilt werden. Bitte machen Sie das nur nach Absprache mit einem erfahrenem Therapeuten.
- Kontraindikationen für L-Thyroxin-Substitution sind funktionelle Autonomie (durch Szintigramm feststellbar) und Herzerkrankungen.
Nicht immer lassen sich die Interaktionen zwischen bestimmten Medikamenten und L-Thyroxin durch eine zeitlich versetzte Einnahme lösen. In diesen Fällen ist meist eine engmaschige Überwachung der Schilddrüsenhormone notwendig, um so mögliche Folgen dieser Wechselwirkungen abschätzen und gegebenenfalls mit einer Anpassung der L-Thyroxin-Therapie darauf reagieren zu können.
Nebenwirkungen
Richtig dosiert, ruft die Einnahme von L-Thyroxin in der Regel kaum Nebenwirkungen hervor. Aber die richtige Dosis zu finden, erfordert bei manchen Menschen Monate und Jahre.
- Sehr häufig, also bei mehr als einem von zehn behandelten Personen, kommt es zu Herzklopfen, Schlaflosigkeit und Kopfschmerzen.
- Häufig, das heißt, bei bis zu einem von zehn behandelten Personen, treten Herzrasen und Nervosität auf.
- Selten, bei bis zu einem von 1.000 behandelten Personen, kann sich der Hirndruck erhöhen, vor allem bei Kindern.
Überdosierungen oder individuelle Unverträglichkeiten gehen oft mit typischen Symptomen einer Überfunktion der Schilddrüse einher, allen voran mit Herzrhythmusstörungen, einem erhöhten Blutdruck, Zittern, übermäßigem Schwitzen bzw. Hitzegefühl und Hitzeunverträglichkeit, aber auch mit innerer Unruhe, Muskelschwäche und/oder Magen-Darm-Beschwerden.
Bei älteren Frauen kann der Wirkstoff das Risiko für die Entstehung einer Osteoporose erhöhen, insbesondere bei hohen Dosen von L-Thyroxin.
Besteht eine Überempfindlichkeit auf Jod, kann es durch L-Thyroxin zu einer Unverträglichkeitsreaktion mit Symptomen einer Schilddrüsenüberfunktion kommen. Wird das Präparat abgesetzt, bessern sich die Beschwerden jedoch meist wieder. Der Verzicht auf die Einnahme sollte allerdings vorab mit dem Therapeuten besprochen und die Umstellung auf ein anderes Medikament von ihm engmaschig begleitet werden.
Alternativen
Es kommt vor, dass die L-Thyroxin-Therapie nicht (mehr) ausreichend wirkt. Dann könnte eine T4/T3-Umwandlungsschwäche die Ursache sein, wodurch relativ zu wenig T3 vorhanden ist. Dadurch bleiben die Symptome einer Schilddrüsenunterfunktion weiter bestehen bzw. treten verstärkt auf.
Wenn es mit der Einnahme von L-Thyroxin zu keinen oder unerwünschten Wirkungen kommt, werden je nach Befinden und Blutwerten, zusätzlich T3-Präparate (z.B. Thybon) oder alternativ T4-T3-Kombipräparate (z.B. Prothyrid mit einem T4-T3-Verhältnis von 10:1 oder Novothyral mit einem T4-T3-Verhältnis von 5:1) empfohlen.
Auch wenn ein sog. „Low-T3-Syndrom“ (funktionelle Hypothyreose) mit niedrigem TT3 und hohem rT3 (mehr dazu hier) vorliegt, können Patienten von einer Kombinationstherapie mit T4/T3 (statt einer reinen Monosubstitution mit T4), wie z.B. mit Novothyral oder besser mit Prothyrid, profitieren.
Eine Studie, bei der 552 Patienten eine Substitution mit Schilddrüsenhormonen erhielten, zeigte, dass sich bei ca. einem Sechstel der Teilnehmer durch eine T4-Monotherapie das Befinden verschlechterte. Eine Einnahme eines T4/T3-Kombipräparates steigerte das Wohlbefnden deutlich (Studie “Schilddrüsenhormone”, Ärzte-Zeitung online 09.08.2010).
Natürliche Hormontherapie
Zusätzlich können natürliche Schilddrüsenextrakte (Natural Desiccated Thyroid, NDT) eine Alternative zu den synthetischen Hormontabletten sein. Hierbei handelt es sich um gefriergetrocknetes Schilddrüsenextrakt tierischer Herkunft. Es besteht aus Siccata threoidea mit den hormonell wirksamen Bestandteilen T1, T2, T3, T4 und Calcitonin – und damit aus allen natürlichen Substanzen, die die Schilddrüse bildet. Verschiedene Vergleichsstudien bescheinigen den NDT eine gute Wirksamkeit.
Anders als etwa in den USA sind NDT in Deutschland nur in ganz wenigen Apotheken (auf Rezept) erhältlich, z.B. ein Schilddrüsen-Extrakt mit dem Produktnamen “Thyreogland” (Klösterl Apotheke, München), das aus dem Schilddrüsengewebe von Schweinen gewonnen wird, im T4-T3-Verhältnis von 4:1.
Ob eine Therapieänderung individuell sinnvoll ist, sollte immer mit dem behandelnden Therapeuten besprochen werden. Auf jeden Fall sollte es eine Überlegung wert sein, wenn das synthetische Thyroxin nicht wirkt – denn das ist keine Seltenheit.
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Erstellungsdatum:
3.4.2021
Autoren:
Dr. Nicole Schaenzler, Philologin und Medizinjournalistin. Herausgeberin eines Gesundheitsmagazins und Fachautorin zahlreicher Bücher zu medizinischen Themen.
Markus Breitenberger, Heilpraktiker und Homöopath. Seit über 20 Jahren behandelt er in eigener Praxis schwerpunktmäßig Menschen mit Schilddrüsenerkrankungen. Autor von 2 Büchern zum Thema Autoimmunerkrankungen und Hashimoto-Thyreoiditis und zahlreichen medizinischen Fachartikeln.
Quellen:
“Wer braucht wirklich L-Thyroxin?” Deutsches Netzwerk evidenzbasierter Medizin
“Weiter Symptome und mehr Komorbiditäten unter L-Thyroxin”, Medical Tribune, 04/2018
Journal of Endocrinology, Diabetes & Obesity (2014): Die Umstellung von Levothyroxin auf Armor Thyroid verbesserte die Patientenzufriedenheit bei der Behandlung von Hypothyreose
National Library of Medicine (Mai 2013): Ausgetrockneter Schilddrüsenextrakt im Vergleich zu Levothyroxin bei der Behandlung von Hypothyreose: eine randomisierte, doppelblinde Crossover-Studie