Das Verhalten der meisten Menschen ist etwas ganz anderes als menschliches Verhalten!
Dem Begriff des menschlichen Potentials, im Kontext von menschlicher Entwicklung erstmalig von Aldous Huxley verwendet, fällt in der Humanistischen Psychologie eine besondere Bedeutung zu. Demnach gibt es ein den Menschen angeborenes Potential, das durch Vorbilder als wertvoll erkannt, im Leben als Bedürfnis erlebt und durch Übung und Selbsterfahrung im Alltag zur Kompetenz entwickelt wird. Das menschliche Potential erscheint zeitlebens jedem Individuum als innerer Auftrag, dem man sich nicht ohne Schaden entziehen kann.
Geschichte der Forschung zum menschlichen Potential
Abraham Maslow erforschte als einer der Gründerväter der Humanistischen Psychologie, was das eigentlich Menschliche am Menschen ist. Er untersuchte also nicht, wie S. Freud zuvor, nur pathologische Formen des Menschseins, sondern interessierte sich für wahrhaft geglückte Formen menschlichen Daseins sowie für das menschliche Potential und die persönlichen Talente, welche jedem eigen- und einzigartigen Individuum innewohnen und der Motor des eigenen Lebens ist.
Maslow hat sich die Frage gestellt, warum gesunde Menschen in der Analyse so wenig beachtet werden. Vielleicht könnte man von ihnen Erkenntnisse gewinnen, um gesünder zu werden? So startete er eine Untersuchung über mehrere Jahre, um das Wesen der Gesundheit an gesunden Menschen zu erforschen: „Als ich begann, die psychische Gesundheit zu untersuchen, wählte ich die hervorragendsten und gesündesten Personen aus (…) und untersuchte ihre Eigenschaften. Sie waren sehr anders, in mancher Hinsicht überraschend anders als der Durchschnitt.“ Seine Ergebnisse waren beeindruckend.
Merkmale gesunder Menschen
- Sie besitzen eine bessere Wahrnehmung der Realität und besitzen die Fähigkeit, Menschen und Sachverhalte richtig zu beurteilen.
- Sie können sich selbst, andere und die Natur akzeptieren. Sie haben einen Mangel an Schutzfärbung, Verteidigung oder Pose, eine Abneigung gegen Gekünsteltheit, Lüge, Heuchelei.
- Sie besitzen Natürlichkeit, Spontanität, Einfachheit und Bescheidenheit und lassen sich nicht durch Konventionen von wichtigen Aufgaben abhalten.
- Sie haben ein Bedürfnis nach Privatheit und können ohne Unbehagen allein sein.
- Sie sind autonom, aktiv und wachstumsorientiert.
- Sie besitzen eine unverbrauchte Wertschätzung. Grundlegende Lebensgüter werden mit Ehrfurcht, Freude und Staunen betrachtet.
- Sie werden von mystischer Selbsterfahrungen geprägt, das heißt, sie erleben Momente von tiefster Ehrfurcht, Glück und Seligkeit.
- Sie besitzen Gemeinschaftsgefühl mit einem tiefen Gefühl der Identifikation, Sympathie und Zuneigung.
- Sie können die Ich-Grenze bewusst überschreiten und tiefe zwischenmenschliche Beziehungen eingehen.
- Sie haben eine demokratische Charakterstruktur, die sich ausdrückt in freundlichem Umgang mit Menschen ungeachtet von Klasse, Stellung, Rasse, Erziehung und Glauben.
- Sie besitzen eine starke ethische Veranlagung, haben feste moralische Normen und keine chronische Unsicherheit hinsichtlich des Unterschieds zwischen richtig und falsch.
- Ihr Humor ist philosophisch, nicht feindselig und sie lachen nicht über feindselige, verletzende oder Überlegenheitswitze.
- Gesunde Menschen sind ohne Ausnahme kreativ und sie leisten Widerstand gegen Anpassungsdruck.
Menschliches Potential
Diese Potentiale sind die Kraft und Fähigkeit in uns, die, wie K. Graf Dürckheim es mit Meister Eckehart ausdrückt, in uns von Geburt an „inbildhaft“ angelegt sind, durch Vorbilder als wertvoll erkannt, im Leben als Bedürfnis und Auftrag erlebt und durch Übung im Alltag zur Kompetenz entwickelt werden.
Spezifisch menschliches Verhalten ist im Menschen schon von Zeugung an als Möglichkeit vorhanden. Menschen tragen in sich die Neigung zum Guten ebenso, wie die Fähigkeit zum Bösen. Die höheren menschlichen Bedürfnisse unterscheiden sich zu den einfachen, biologischen Bedürfnissen nur durch größere Differenziertheit, die möglich wird durch geringere Triebkraft. Dafür ist Affektkontrolle nötig, die wir im Wesentlichen in den ersten 18 Lebensmonaten erlernen, wie wir aus der Bindungsforschung wissen.
Die Möglichkeit 7.000 Sprachen zu lernen
Wir kommen mit unendlich großem Potential auf die Welt. Da ist erstmal ein riesiger Überschuss und was nicht genutzt wird, das verkümmert oder entwickelt sich in eine andere Richtung.
Als Beispiel ist ein jeder von uns mit dem Potential auf die Welt gekommen, in den ersten Lebensjahren eine der insgesamt 7.000 verschiedenen Sprachen der Welt zu erlernen. Sofern man in Amerika geboren und dort von englischsprachigen Eltern erzogen wurde, ist es sehr schwer, den Umlaut „Ü“ zu sprechen, weil sich diese Fähigkeit mangels Vorbilder zurückgebildet hat.
Wenn Menschen von Wölfen großgezogen werden, am eindrucksvollsten dokumentiert in den Aufzeichnungen zu den Geschwistermädchen Amala und Kamala in den 1920er Jahren in Indien, dann lernen sie auf allen Vieren schneller zu laufen als Menschen auf zwei Beinen. Dann leben Menschen ihre „wölfische“ Seite: Sie können rohes Fleisch auf 60 Meter wittern, roh essen und verdauen und sie können in der Dunkelheit ausgezeichnet sehen.
Mitmenschen als Vorbilder
Die Entwicklung zu einer reifen Person entsteht nicht durch Nach-Denken, Vor-Sätze und Rat-Schläge, sondern durch Mitgefühl und Nachahmung. Die Spiegelneuronen unseres Gehirns, die Mitgefühl ermöglichen, werden nur aktiv, wenn wir selber feinfühlig schon als Kind mit unseren Bedürfnissen erkannt wurden und jemand da war, der uns zur rechten Zeit angemessen gestillt, getröstet und in unserem Spieldrang angeregt hat.
Wir wollen hoffen, dass in menschlicher Gemeinschaft davon in Zukunft wenigstens so viel anzutreffen ist, wie es unter Wölfen selbstverständlich ist. Zumindest nehmen sich Wölfe heute noch Zeit für ausgiebige Brutpflege und haben ausreichend Muße, mit ihren Nachkommen zu spielen und ihnen zu zeigen, was im Leben wichtig ist.
Eine humane und ethische Aufrichtigkeit und den aufrechten Gang lernen wir aber nur von Menschen, nicht von Wölfen. Wir lernen als Menschen mit Humor, Freude, Interesse, Stressresistenz und Widerstandskraft zu leben, insbesondere von der zweiten Schwangerschaftshälfte bis zum 18. Lebensmonat.
Unser Gehirn ist lebenslang bereit, neue Vernetzungen zu schaffen und wir leiden heute nicht daran, was einmal war, sondern nur daran, wie wir heute dazu stehen. Für eine Perspektivänderung eignen sich insbesondere die Möglichkeiten der Selbsterfahrung in der Gruppe. Sie können mich gerne ansprechen in meiner Praxis für Homöopathie und Psychotherapie in München.
Erstellungsdatum:
24.06.2016
Autor:
Markus Breitenberger ist Heilpraktiker und Therapeut für Potentialorientierte Psychotherapie in München. Autor von zahlreichen Büchern, Fachartikeln und Blogbeiträgen zu Themen rund um Gesundheit und Psychotherapie.