Regulationsstörungen oder Trimenonkoliken (Dreimonatskoliken) bezeichnen unruhige Säuglinge, die von den Bezugspersonen über einen längeren Zeitraum nicht beruhigt werden können. Eltern mit Schreibabys brauchen dringend erfahrene Beratung und Unterstützung, um die Spirale aus Stress und Hilflosigkeit zu durchbrechen.
Inhaltsverzeichnis
Was sind Regulationsstörungen?
Regulationsstörungen sind gekennzeichnet durch eine gesteigerte Erregbarkeit und verminderte Beruhigungstendenz des Babys, oft verbunden mit viel Schreien, Trinkschwäche und Problemen beim Füttern und Schlafen.
Wie erkenne ich eine Regulationsstörung?
Nicht jedes Baby, das mal länger schreit ist davon betroffen. Vermehrtes Schreien mit einer Gesamtdauer von bis zu 60 Minuten am Tag gilt als normal. In den ersten drei Lebensmonaten schreien Säuglinge durchschnittlich etwa 10 – 30 Minuten innerhalb von 24 Stunden.
Exzessives Schreien im Säuglingsalter ist aber leider keine Seltenheit: Etwa 16 bis 29 Prozent aller Säuglinge sind in den ersten drei Lebensmonaten betroffen. Bei etwa acht Prozent besteht das Verhalten über den dritten Monat hinaus. Bei etwa vier Prozent aller sog. Schreibabys bleibt es bis zum sechsten Monat bestehen, in seltenen Fällen auch länger.
Schreibabys sind Babys, die länger als 3 Wochen an min. 3 Tagen pro Woche min. 3 Stunden pro Tag schreien (Dreierregel). Ein weiteres Merkmal ist die Unstillbarkeit der Schreiattacken.
Säuglingen und Kleinkindern ist es nur möglich, ihr Verhalten durch zwischenmenschlichen, feinfühligen Kontakt zu regulieren, d.h. sie können dies nur im direkten Austausch mit ihren gewohnten Bezugspersonen. Diese, i.d.R. Mutter oder Vater, reagieren meist instinktiv auf die Äußerungen ihrer Kinder und stimmen ihre Antworten auf die Befindlichkeit des Kindes ab.
Hierbei unterstützen sie den Säugling in seinen selbstregulatorischen Fähigkeiten – so gut, wie sie selbst über diese Fähigkeiten verfügen. Im besten Fall führt das zu einer sicheren emotionalen Bindung. Bei kindlichen Regulationsstörungen ist dieser wechselseitige Prozeß häufig gestört.
Als Beispiel kann das Abwenden des Kopfes des Kindes als Ausdruck seines Ruhebedürfnises von Eltern als Abweisung fehlinterpretiert werden und zu zusätzlicher Stimulation des Kindes führen. Die Regulationsstörungen werden also nicht als eine Störung des Kindes allein betrachtet.
Die Verhaltensauffälligkeit des Kindes ist Teil einer Symptomkonstellation, bei der auch eine beeinträchtigte Eltern-Kind-Beziehung bzw. Interaktion und eine Überforderungssituation der Eltern berücksichtigt werden muss.
Symptome
Mechthild Papoušek, eine renommierte Entwicklungspsychologin, beschreibt eine Symptomtrias, die bei allen Regulationsstörungen anzutreffen ist:
- Verhaltensauffälligkeit(en) des Kindes (beispielsweise das exzessive Schreien). Dazu kommen Schlafstörungen und irgendwann ist nicht nur das Baby, sondern auch die Mutter komplett überreizt.
- Überforderung der Mutter oder des Vaters im Umgang mit dem „schwierigen“ Säugling. Häufig erlebt sich die Mutter als Versagerin, weil sie das Gebrüll ihres Säuglings nicht beruhigen kann.
- Dysfunktionale Interaktionsmuster, weil durch das auffällige Verhalten des Kindes die soziale Interaktion und die Kommunikation der Eltern mit dem Kind beeinträchtigt ist, was zunehmend die Beziehung zu dem Kind belasten kann. Einfühlsamer Körperkontakt, der das Kind beruhigen könnte, wird immer schwieriger durch die Schreiattacken.
Ursachen
Folgende organische Beschwerden müssen von einem mit diesem Thema vertrauten Therapeuten abgeklärt werden:
- Hirnorganische Schädigungen
- Neurologische Erkrankungen
- KISS (kopfgelenksinduzierte Symmetriestörung)
- Infektionen der Atemwege
- Mittelohrentzündungen
- Harnwegsinfekte
- Knochenbrüche
- Krankheiten des Magen-Darm-Traktes; Refluxkrankheit, Darmentzündung, Verstopfung, Allergie gegen Gluten oder Kuhmilch, insbesondere Kuhmilchproteinintoleranz (nicht zu verwechseln mit Laktoseintoleranz)
- Dysbiose
Säuglinge, die durch vermehrtes Schreien auffällig wurden, hatten vermehrt Proteobacteriae im Stuhl. Zu diesen gehören auch Gasbildner, welche schmerzhafte Blähungen auslösen könnten. Zudem hatten Schreibabys bei Bifidobacteriae und Lactobacilli oft nur niedrige Konzentrationen. Eine Studie aus dem Jahr 2013 zeigt, dass die tägliche Gabe von Probiotika die Dauer der Dreimonatskoliken verringern kann. - Glutenunverträglichkeit und Zöliakie.
Die Diagnose ist eine Ausschlussdiagnose, d.h. nur bei bei 5 – 10 Prozent der unruhigen und anhaltend schreienden Babys können die genannten Krankheiten diagnostiziert werden.
Zur Diagnostik gehört neben dem Ausschluss körperlicher Erkrankungen auch das Erfassen von psychosozialen und pränatalen Belastungsfaktoren, die in den Familien von Schreibabys häufig anzutreffen sind. Dazu gehören:
- Paarkonflikte und Streit der Eltern
- Konflikte mit den Herkunftsfamilien, die auch in Familienaufstellungen erkennbar werden können
- Armut oder ein alleinerziehender Elternteil
- Ängste
- Depressionen und soziale Isolation
- Unsicherer Bindungstyp der Hauptbindungsperson, i.d.R. die Mutter
- Emotional belastende oder traumatische Bindungs- und Beziehungserfahrungen der Hauptbindungsperson, die oft ein desorganisiertes Bindungsmuster hervorbringen.
- Pränataler Stress wird als Risikofaktor für exzessives Schreien im 3. bis 6. Lebensmonat betrachtet
Um den Ursachen für das exzessive Schreien des Kindes auf die Spur zu kommen, kann es helfen ein Schrei- und Schlaftagebuch, sowie Fütter- und Ernährungsprotokolle zu führen. Verhaltensbeobachtung in unterschiedlichen Kontexten (Füttersituation, Spiel, Beruhigungssituation, Trennungssituation und Wiedersehen) vervollständigt die Diagnostik und kann Aufschluss über nicht sinnvolle Beruhigungshilfen oder eine Störung in der Mutter-Kind-Beziehung geben.
Schreibabys beruhigen
In der Beratung gilt die hauptsächliche Aufmerksamkeit der Eltern-Kind-Interaktion. Auch sollen Alternativen in der Interpretation von kindlichen Signalen ermöglicht werden. Die Aufarbeitung eventuell bestehender elterlicher Schuldgefühle wirkt stressmindernd, ebenso wie die Reduktion von Reizen im Umfeld des Kindes. Kindliche Übermüdung und Überreizung gilt es zu vermeiden.
Der Tagesablauf für das Kind muss vorhersehbar strukturiert werden: ausreichende und regelmäßige Schlafphasen am Tag und gemeinsamen Spielen und Dialoge in den Wachphasen. Dazu muss die Möglichkeit für kurze Auszeiten (Time-out-Phasen) für die primäre Bezugsperson geschaffen werden.
In emotionalen Notsituationen, wenn eine angemessene Beruhigung (Selbstregulation) der Bezugsperson nicht mehr gewährleistet ist, kann das schreiende Kind zunächst an einen sicheren Ort abgelegt werden, damit die Betreuungsperson selbst im Nebenraum mit geöffneter Tür zur Ruhe kommen kann und nach einer kurzen Unterbrechung von maximal einigen wenigen Minuten das Kind erneut zu beruhigen versucht.
In der Elternberatung haben die Eltern für diese Situation geeignete Maßnahmen gelernt, die es relativ schnell und zuverlässig ermöglichen wieder zu Sinnen zu kommen. In seltenen Fällen ist eine Eltern-Kind-Psychotherapie anzuraten, häufiger macht es jedoch Sinn, wenn sich Eltern ihrer eigenen Konfliktfelder bewusst werden und lernen durch Selbsterfahrung und Psychotherapie mehr Möglichkeiten für sich im Denken, Fühlen und Handeln zu schaffen.
Der Heilpraktiker M. Breitenberger in der Praxis für Homöopathie und Psychotherapie in München kann Sie auf diesem Weg unterstützen. Mit 20 Jahren Praxis-Erfahrung im Umgang mit Säuglingen und (Klein-) Kindern und viel persönlicher Erfahrung mit seinen eigenen vier Kindern, ist Herr Breitenberger Experte in der Behandlung von Säuglingen mit Regulationsstörungen.
Erstellungsdatum:
06.10.2017
Autor:
Markus Breitenberger, Heilpraktiker und Homöopath; behandelt seit über 20 Jahren Kinder und Erwachsene in eigener Praxis in München. Autor von zahlreichen Fachartikeln und Blogbeiträgen zu Themen rund um Gesundheit und Homöopathie.